Geschichtlicher Überblick
- 1239: Erste urkundliche Erwähnung; Schloss Thurnau im Besitz der Familie Förtsch
- 1564: Übernahme von Schloss Thurnau durch die Herren von Giech und Künßberg
- 1731: Erwerb der Künßberg’schen Besitzungen durch die Herren von Giech
- 1796: Thurnau wird preußisch
- 1810: Thurnau wird bayerisch
- 1938: Tod des letzten Grafen von Giech; das Schloss fällt an die Familie Hiller von Gaertringen
- 1972: Zustiftung der Schlossanlage in die Gräflich Giech’sche Spitalstiftung
Die erste urkundliche Erwähnung eines „hus uf dem stein“ fällt in das Jahr 1239. Der auf einem Sandsteinfelsen in der Flussaue errichtete Wohnturm diente dem Rittergeschlecht Förtsch als Wohn- und Herrschaftssitz. Die heutige Bezeichnung Thurnau leitet sich von eben diesem „Turm in der Au“ ab.
Nach dem Tod des Jörg Förtsch im Jahr 1564 übernahmen die Schwiegersöhne Hans Friedrich von Künßberg und Hans Georg von Giech die Thurnauer Besitzungen. Sie führten zwölf Jahre die Geschicke Thurnaus gemeinschaftlich. Infolge von Streitigkeiten kam es 1576 zur Teilung des Schlosses. Beide Familien errichteten nun eigene Gemäudekomplexe: die Künßberg im Bereich des Unteren, die Giech im Bereich des Oberen Schlosshofes.
Im Jahr 1731 erwarben die mittlerweile in den Grafenstand erhobenen Giech die Besitzungen der Künßberg und wurden alleinige Herren auf Schloss Thurnau.
1796 ging Thurnau in preußischen Besitz über. 1806 für einige Jahre an Frankreich gefallen, gelangte die einstmals reichsunmittelbare Herrschaft Thurnau 1810 an das junge Königreich Bayern.
1938 starb mit Franz Friedrich Karl Lothar von Giech der letzte männliche Nachkomme der Familie. Das Schloss fiel an seine Neffen, die Freiherren Karl Gottfried und Siegfried Hiller von Gaertringen.
Seit 1972 befindet sich die Schlossanlage im Eigentum der gemeinnützigen Gräflich Giech’schen Spitalstiftung.
Die Kemenate
- 13. Jahrhundert: Errichtung der Kemenate durch das Rittergeschlecht Förtsch
- 1581: Anbau des Gebetserkers
- 1583/91: Errichtung der beiden Treppentürme
- 1860: Erneuerung des Übergangs zur Kirche im neugotischen Stil
Die Kemenate von Schloss Thurnau ist der älteste und markanteste Teil des Thurnauer Schlosses. Der spätromanische Wohnturm wurde auf einem Sandsteinfelsen errichtet, der sich bis in das dritte Geschoss erstreckt. Als beheizbarer Wohn- und Arbeitsraum für Herrschaft und Bedienstete war die Kemenate (caminus – Ofen, Feuerstätte) lange Zeit der Lebensmittelpunkt der Anlage.
Im Laufe der Geschichte erfuhr das Gebäude zahlreiche bauliche Veränderungen. Hans Georg von Giech ließ in der zweiten Hälte des 16. Jahrhunderts die drei oberen Stockwerke, die zuvor als Getreideböden dienten, im Stil der Renaissance ausbauen. Die Abläufe der drei an der Südfassade angebauten Abortnischen mündeten in einen mittlerweile überbauten Graben. Seit Ende des 16. Jahrhunderts erleichtern zwei Treppentürme die Erschließung der Etagen (vorher: einfache Holzstiegen).
Ebenfalls im Auftrag von Hans Georg von Giech wurde im Jahr 1581 der Gebetserker an der Ostseite der Kemenate angesetzt. Er diente als Andachtsraum für seine gehbehinderte Ehefrau Barbara von Giech, geborene Förtsch. Der Gebetserker ist direkt auf die benachbarte Kirche ausgerichtet. Die Außenseiten des Giebels zieren die Familienwappen des Ehepaares (Giech und Förtsch). 16 weitere Wappen von Vorfahren beider Familien schmücken die Frontseite des Erkers. Unterhalb der Fenster sind Relieffiguren von Adam und Eva sowie zwei Posaunenengel zu sehen. In der Spitzkonsole trägt eine narrenähnliche Figur das Wappen der Familie Giech.
Der hölzerne Kirchgang verbindet die Kemenate mit der benachbarten Laurentiuskirche. Er führt von der Kirchstube der Kemenate direkt in den Herrschaftsstand auf der zweiten Kirchenempore.
Hinterer Schnecken, Weinhöflein und Storchenbau
- 1583: Bau des sogenannten Hinteren Schnecken
- 1846 – 63: Einrichtung einer Steinsammlung durch Graf Carl von Giech im sogenannten Weinhöflein
Der als Hinterer Schnecken bezeichnete achtseitige Treppenturm wurde 1583 unter Hans-Georg von Giech errichtet. Im Inneren führen 154 Treppenstufen der überwiegend steinernen Spindeltreppe bis zum Dachboden der Kemenate.
Über dem Eingang des Hinteren Schnecken befindet sich eine Erinnerungstafel, die vom Schlosskauf durch die Herren von Giech und Künßberg (Kindsberg) 1565 berichtet. Über der Inschrift prangen die Wappen der Förtsch, der Giech und der Künßberg.
Die kleine Vorhalle zur Kemenate wird als Weinhöflein bezeichnet. Im 17. Jahrhundert wurde das Weinhöflein als Gefängnis genutzt. Seit dem 19. Jahrhundert dient es als Lapidarium. Graf Carl von Giech ließ hier zahlreiche Skulpturen, Gedenk- und Grabsteine aus ehemals mit den Giech verbundenen Kirchen aufstellen.
Die beiden Schlosshöfe werden durch den sogenannten Storchenbau voneinander getrennt. Durch sein Tor betrat man einst die ursprüngliche Burganlage, die sich – umgeben von einem Trockengraben – im Bereich des Unteren Schlosshofes befand.
Carl-Maximilian-Bau, Kutschenhaus und Schlossbrunnen
- 1714: Bau des Kutschenhauses
- 1731: Fertigstellung des Carl-Maximilian-Baus
- 1748 – 52: Bauliche Veränderungen am Giebel im Stil des Rokoko
- 1755: Bau des Schlossbrunnens
- um 1798: Klassizistische Neugestaltung der Innenräume
- 1997: Umnutzung des Carl-Maximilian-Baus und des Kutschenhauses zum Tagungshotel
Der Carl-Maximilian-Bau verdankt seinen Namen dem Grafen Carl Maximilian von Giech, unter dessen Herrschaft das Gebäude 1731 fertiggestellt wurde. Der vermutlich nach Plänen des Bayreuther Architekten Johann David Räntz errichtete barocke Bau diente als repräsentativer, standesgemäßer Wohnraum und bot zugleich Möglichkeiten zur Unterbringung von Gästen. Im Erdgeschoss befanden sich Wirtschaftsräume, das Dachgeschoss beherbergte die Angestellten des Hofes.
Graf Carl Christian Ernst Heinrich von Giech und seine Frau Caroline Wilhelmine, geb. Gräfin Schönburg-Wechselburg, veränderten ab 1798 die Innenräume im klassizistischen Stil und gestalteten den sogenannten Schönburg’schen Saal. Die vom Thurnauer Maler Christoph Friedrich Carl Hoffmann angefertigten Landschaftstapeten im ersten Obergeschoss zeigen Ansichten aus der Heimat der Gräfin im sächsischen Muldetal.
Südlich an den Carl-Maximilian-Bau angrenzend befindet sich das Kutschenhaus, das 1714 anstelle des früheren Stadels errichtet wurde. Im Obergeschoss lagerte das Getreide, unten befanden sich die Kutschen und Schlitten sowie ein Übungsparcours. Heute beherbergt das Kutschenhaus den Veranstaltungssaal.
Inmitten des geräumigen Haupthofes steht der 1755 unter Graf Christian Friedrich Carl erbaute Schlossbrunnen. Der im Rokokostil gestaltete Brunnenstock mit muschelförmigen Ornamenten, Putten und einem Schwan, dem Giech’schen Wappentier, ist ein Werk des Bildhauers Georg Caspar Clemm aus Römhild.
Hans-Georgen-Bau
- 1600 – 06: Errichtung des Hans-Georgen-Baus durch Hans Georg von Giech
- 1710/11: Aufstockung des Gebäudes und umfassende Umbauten im Stil des Barock
- 1838 – 55: Einrichtung des großen Saales als Ahnensaal (Portraitsammlung)
- 1968: Tod der Freifrau Caroline Hiller von Gaertringen, geborene Gräfin von Giech, der letzten Bewohnerin des Hauses
- seit 1977: Sitz des Forschungsinstituts für Musiktheater (FIMT) der Universität Bayreuth
Der Hans-Georgen-Bau wurde zu Beginn des 17. Jahrhunderts unter Hans Georg von Giech errichtet. Im Erdgeschoss befand sich der Marstall (Pferdestall). 1710 ließ Carl Gottfried von Giech das Gebäude aufstocken und im Stil des Barock um- und ausbauen.
Neben Arbeits- und Wohnräumen befanden sich seit 1857 Teile des Schlossmuseums im Hans-Georgen-Bau. Bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts betrieben die Schlossherren Nachforschungen zur Vergangenheit ihrer Familie und trugen zahlreiche „Altertümer“, darunter Waffen, Siegel, Münzen, Porzellan und Rechtsaltertümer sowie Gemälde und eine 30.000 Bände umfassende Bibliothek zusammen. Bis ins frühe 20. Jahrhundert waren die Sammlungen für die Öffentlichkeit zugänglich.
Der Hans-Georgen-Bau wies im Laufe der Jahre gravierende statische Probleme auf. Man erkennt dies an den Metallschlaudern und Ankerköpfen an der Fassade sowie an den Stahlbetonpfeilern an der Außenseite. Im Gegensatz zur Kemenate sind die anderen Teile des Schlosses nicht auf Felsen gegründet und unterliegen deshalb ständigen Setzungsprozessen.
Die Sanierung für die Nutzung durch das Forschungsinstitut für Musiktheater wurde 2006 abgeschlossen.
Künßberg-Flügel
- 1564: Einzug der Familie Giech und Künßberg in Schloss Thurnau
- 1675: Vollendung des Künßberg-Flügels
- 1731: Auszug der Künßberg aus dem Schloss
- 18. – 20. Jahrhundert.: Wohnnutzung durch die Familie Giech und Hiller von Gaertringen
- seit 2014: Nutzung des Künßberg-Flügels als Hotel
1564 gelangten das Schloss und die Herrschaft Thurnau in den gemeinsamen Besitz der Familien Giech und Künßberg. 1576 kam es zur Aufteilung des Schlosses und der Ländereien. In der Folgezeit bewohnten die Künßberg die den Unteren Schlosshof umstehenden Gebäude. Mitte des 17. Jahrhunderts begannen sie den bisher als Wohntrakt genutzten Nordflügel (heute: Institut für Fränkische Landesgeschichte) um den sogenannten Künßbergflügel zu erweitern. Er wurde 1675 unter Hans Christoph von Künßberg vollendet.
Die Auseinandersetzungen der beiden Familien gipfelten im Jahre 1688 in einem Schusswechsel zwischen Giech’schem und Künßberg’schem Personal, bei dem auch auf den späteren Grafen Christian Carl I. von Giech geschossen wurde. Amtmann Keyler berichtet: „Drey Schüß sind durch das fordere Fenster (…), wovon 2 Kugeln das Gemach durch und zum andern Fenster gegenüber in den Hof wieder durchgangen, die dritte Kugel aber nicht funden worden. Diese drey Schuß sind von dem künsbergischen Dach herüber geschossen.“
Im Jahre 1731 kauften die Giech die untere Schlosshälfte von den Künßberg und bewohnten sie seitdem. Nach dem Tod des letzten Grafen Giech 1938 stand der Bau über viele Jahre leer.
Ab 2010 wurde der Künßberg-Flügel zur Erweiterung des seit 1997 bestehenden Hotels grundlegend saniert. Aufwändige Pfahlgründungen waren zur Ertüchtigung erforderlich. Bei den begleitenden archäologischen Grabungen wurden die westlichen Außenmauern der Vorgängerburg entdeckt, die aus dem späten 14./frühen 15. Jahrhundert stammt.
Nordflügel und Zwinger
- 1430: Zerstörung der Vorgängerburg durch die Hussiten
- 15. Jahrhundert.: Bau des Nordflügels und Errichtung des Zwingers
- 1731: Ankauf des Unteren Schlosses durch die Giech und Umgestaltung
- 2019: Einzug des Instituts für Fränkische Landesgeschichte der Universitäten Bamberg und Bayreuth
Der Nordflügel und der Zwinger (Zwischenraum zwischen Burg und Wehrmauer) wurden im 15. Jahrhundert von der Familie Förtsch angelegt, nachdem die Hussiten 1430 die Vorgängerburg schwer beschädigt hatten. Die Zwingermauer und die drei Wehrtürme schuf man, um sich künftig vor Angriffen besser schützen zu können. Die Mauer selbst wurde später mit einem Wehrgang aufgestockt.
Bei der Errichtung des Nordflügels wurde der zur Vorgängerburg gehörende Bergfried (Wehrturm) in den Bau integriert. Im zweiten Obergeschoss des Nordflügels befinden sich hochwertige Wandmalereien aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Neben einer Treibjagdszene ist das für einen Profanbau seltene Sujet eines gemalten Epitaphs (Gedächtnisbild) zu sehen. Der Nordflügel diente der Familie Künßberg im 17. Jahrhundert als Wohnraum.
Die vormals Künßberg’schen Räumlichkeiten wurden nach 1731 durch die Giech laufend umgestaltet. Graf Christian Friedrich Carl ließ im nordwestlichen Wehrturm einen runden Bibliotheksraum und ein Musikzimmer im Stil des Rokoko einrichten. Seit dem 19. Jahrhundert war das umfangreiche Giech’sche Familienarchiv, das sich heute im Staatsarchiv Bamberg befindet, im Nordflügel untergebracht.
Nach 1945 diente das Schloss, insbesondere der Nordflügel, zahlreichen Flüchtlingen als Unterkunft. Unter ihnen befanden sich Persönlichkeiten wie der Pianist Wilhelm Kempff, die Malerin Toni Farwick und der Violinist Gerhard Taschner.
Von 2017 bis 2019 wurde der Nordflügel saniert. Hier befindet sich nun das aus Mitteln der Oberfrankenstiftung gegründete Institut für Fränkische Landesgeschichte der Universitäten Bamberg und Bayreuth. Der dem Gebäude vorgelagerte Glasanbau dient der barrierefreien Erschließung der Geschosse.
Cent-Turm und Weißer Turm
- bis 1686: Storchenturm in Künßberg’schem Besitz
- 1699: Bestätigung der Grafen von Giech als Inhaber der hohen Gerichtsbarkeit
- 1704 Umbau des Storchenturm als Cent-Turm
- 1710: Instandsetzung des Weißen Turms
Bis Ende des 17. Jahrhunderts befand sich der westliche Turm, der sogenannte Storchenturm, im Besitz der Künßberg. 1686 ging er an die Familie Giech über und erhielt seine Funktion als Cent-Turm (Cent = Gerichtsbezirk). Im Jahr 1704 wurde der Turm unter Garf Carl Gottfried von Giech restauriert, dem benachbarten Weißen Turm in der Höhe angeglichen und mit einer Zwiebelkuppel („Welschen Haube“) versehen.
Die Giech, die Rechtsprechung in ihrem Herrschaftsbereich ausübten, nutzten den Cent-Turm als Gefängnis. Am Eingang befand sich die Wohnung des Amtsknechts, das sogenannte Henkershäuschen.
Auch nachdem die Herrschaft Thurnau 1810 an das Königreich Bayern gefallen war, diente der Turm als Gefängnis. Während der Frühjahrskirchweih 1817 ließen sich nach überlieferten Berichten zwei Gefangene mithilfe eines Seiles vom 4. Stockwerk herab und konnten, dank des Kirchweihtrubels, rasch fliehen. Sie wurden jedoch einige Tage später im gräflichen Umland wieder aufgegriffen.
An der östlichen Seite des Schlosses erhebt sich der fünfstöckige Weiße Turm, der diesen Namen aufgrund seines ursprünglich hellen Putzes erhielt. In ihm befanden sich weitere Gefängnisräume im Erdgeschoss und Keller. Letzterer war dem Volk auch unter dem Namen „Schwarzer Kaspar“ bekannt.
Weitere Infos
Der Kreisheimatpfleger Dieter Schmudlach hat sich längere Zeit mit dem äußert stark gefährdeten Baudenkmal, dem ehemaligen Teehaus, beschäftigt. So sind folgende Seiten entstanden:
Geschichte des ehemaligen Schlossgartens
Geschichte des Schlosses Thurnau
Geschichte über dem Maler C.A. Lebschée